Fachgebiete
Nach einem einführenden Überblick über die wichtigsten Religionen und Forschungsbereiche während der ersten Semester stellt sich für alle Studierenden der Religionswissenschaft die Frage der Spezialisierung – die für mich aufgrund meiner Beziehung zu Japan schnell beantwortet war: Bis zur Abschlussprüfung beschäftigte ich mich somit hauptsächlich mit Shinto und Buddhismus in Japan.
Seit Abschluss des formalen Studiums hat sich der Schwerpunkt allerdings von Japan weg weit nach Westen verlagert: Seit Abschluss des formalen Studiums habe ich vor allem die altägyptische und vorderorientalische Religionsgeschichte vertieft bearbeitet. Was die literarische Tätigkeit nicht unwesentlich beeinflusst …
Japanische Religionen
Shinto («Weg der Götter») ist die vorbuddhistische Religion Japans, wohl verwandt mit den schamanistischen Kulten des sibirisch-mongolischen Festlandes, aber auch beeinflusst von Südsee-Kulten, geprägt durch den Glauben an zahllose kami. Häufig mit «Gottheit» übersetzt, bezeichnet dieser Begriff alles Ehrfurcht Erweckende, Geheimnisvolle, Übernatürliche – Götter, Geister, Naturelemente und -erscheinungen (Gestirne, Wind, Berge, Steine, Bäume, Quellen …), aber auch mythische oder reale Ahnen und herausragende Persönlichkeiten. Shinto besitzt weder einen Gründer noch einen einheitlichen Schriftenkanon und umfasst eine Vielzahl von lokal unterschiedlichen religiösen Kulten und Glaubensformen. Weitere Info http://de.wikipedia.org/wiki/Shinto
Der Buddhismus (Mahayana-Linie) kam im 6. Jahrhundert von China aus nach Japan. Wie auf dem Festland gab und gibt es in Japan unterschiedliche buddhistische Schulen. Eine davon, die im Westen bekannteste, ist der Zen-Buddhismus, der die japanische Kultur stark beeinflusst hat. Zentrales Element der Zen-Praxis ist die Sitzmeditation. Einige aber nicht alle Zen-Schulen verwenden paradox anmutende Rätsel (koan). Weitere Info http://de.wikipedia.org/wiki/Zen_Buddhismus#Zen_in_Japan
Im Alltag spielen sowohl Shinto als auch Buddhismus weiterhin eine Rolle, wobei die Mehrzahl der Japanerinnen und Japaner sich zu beiden Religionen bekennt. Es herrscht die Tendenz vor, shintoistische Riten für freudige Anlässe (Neuhjahr, Hochzeit, Gebet um Alltagsdinge), buddhistische dagegen für traurige und ernste Anlässe (Todesfall, Gebet um lebensentscheidende Dinge) heranzuziehen. Plakativ ausgedrückt: Shinto ist für das Leben zuständig, Buddhismus für den Tod bzw. das Leben danach.
Studieren lassen sich japanische Religionen im Rahmen des Universitätsfachs Japanologie oder der Religionswissenschaft. Am besten natürlich in Japan selbst: an Universitäten, in Zen-Tempeln und buddhistischen Schulen – den Shinto aber bevorzugt im Alltag, durch Teilnahme an den Festen und Zeremonien und Kontakte zu Schreinpriestern.
Altägyptische Religionsgeschichte
Die zwischen ca. 3000 v. Chr. und dem Ende der Römerherrschaft 395 n. Chr. im Niltal und dem Delta vorherrschenden religiösen Kulte, Mythen, Gottheiten und theologischen Theorien werden meist als «altägyptische Religion» bezeichnet. Diese Bezeichnung erweckt jedoch den irreführenden Eindruck eines einheitlichen, im ganzen Zeitraum (immerhin über drei Jahrtausende) unveränderten religiösen Konzepts. Vielmehr lassen sich zu allen Zeiten teilweise grosse lokale Unterschiede etwa bei den Kulten, dem Stellenwert einzelner Gottheiten oder der vorherrschenden Version einzelner Mythen oder Weltentstehungsgeschichten ausmachen.
Noch viel ausgeprägter sind die Unterschiede über die Zeit betrachtet: Gottesvorstellungen und «-hierarchie» (falls überhaupt von einer solchen gesprochen werden kann), Jenseitsglauben, Seelenkonzepte, Mythen, Kulthandlungen und die Beziehung zwischen Mensch und Gottheit wandeln sich in der altägyptischen Geschichte beträchtlich – Lokalgottheiten steigen zu Reichsgöttern auf und werden wieder abgesetzt, Kultzentren verschieben sich, Gottheiten verschmelzen miteinander, übernehmen die Funktion von anderen, verschieben ihre «Familienbeziehungen» oder wechseln sogar von «Gut» zu «Bös» oder umgekehrt … tatsächlich ist gerade dieser ständige Wandel ein herausragendes Merkmal der so genannten altägyptischen Religion.
Weitere Informationen zum alten Ägypten http://de.wikipedia.org/wiki/Altes_%C3%84gypten, zur Geschichte http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Alten_%C3%84gypten und zu den Göttern http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_%C3%A4gyptischer_G%C3%B6tter
Vorderorientalische Religionsgeschichte
«Vorderer Orient» als geographische Bezeichnung wird im Rahmen der Religionsgeschichte nicht immer einheitlich verwendet. Sicher dazugezählt werden Kleinasien, Palästina, Syrien, das Zweistromland und die arabische Halbinsel, dazu oft noch der ganze Kulturraum des heutigen Iran. Geschichtlich umfasst das Fachgebiet die Epochen und Kulturen im genannten geographischen Raum vor der Entstehung des Islam – also unter anderem die verschiedenen sumerischen Reiche http://de.wikipedia.org/wiki/Sumerer im Zweistromland ab ca. 2800 v. Chr., Assyrien http://de.wikipedia.org/wiki/Assyrien, Babylonien http://de.wikipedia.org/wiki/Babylonien, Stammeskulturen in den Wüstenregionen, Stadtstaaten in Südarabien, die unterschiedlichen kleinen semitischen Reiche und Fürstentümer im syrisch-mespotamischen Grossraum, Hethiter in Kleinasien http://de.wikipedia.org/wiki/Hethiter. Wird der persische Kulturraum eingeschlossen, kommt vor allem der Zarathustrismus http://de.wikipedia.org/wiki/Zoroaster hinzu.
Und natürlich gehts auch um die Religionsgeschichte derjenigen semitischen Stämme, die in Palästina siedelten und sich irgendwann «Israel» zu nennen begannen. Wer sich gerade mit diesem Teilgebiet verstärkt befasst, wird allerdings auf unbequeme Widersprüche zu den Darstellungen im Ersten Testament stossen und wahrscheinlich bald feststellen, dass die biblischen Erzählungen zwar historische Kerne enthalten aber nicht als Geschichtsbücher gelesen werden dürfen (auch wenn einige von ihnen als solche bezeichnet werden) sondern als theologische Schriften. Historisch und religionsgeschichtlich ist zum Beispiel die ganze Exodus-Geschichte eher unwahrscheinlich, jedenfalls in der in der Bibel beschriebenen Form und Epoche – die gesamte biblische Exoduserzählung verrät völlige Unkenntnis über die historischen Gegebenheiten in Ägypten. Diese Nicht-Geschichtlichkeit der Exoduserzählung schmälert jedoch nicht ihren Stellenwert – der Auszug aus Ägypten hat theologische Bedeutung, keine geschichtliche im Sinne von «was ist historisch wirklich geschehen».